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Die Mauer kam zu spät (4/5 b – der Fußballer-Markt-Vergleich)

Ich hatte es geahnt: Der eigentlich nur naiv provozierende Vorschlag, für potentielle Republik-„Flüchtlinge“ eine Transferliste mit Ablösesummen zu erstellen als Weg, die DDR zu stärken, musste Widerspruch hervorrufen. Denn er entblößt den Gegensatz zwischen den ethisch begründeten Vorstellungen, in welcher Welt wir leben wollten (nämlich einer, in der es sowas eben weltweit nicht gibt), und den Realitäten (wo die Profistars sich natürlich freuen, wenn sie an dem Geldregen, den sie bewirken, auch selbst beteiligt werden).

„Ich erlaube mir einen makabren Vergleich: Wenn irgendwo ein Fussballspieler besondere Leistungen zeigt und ein anderer Verein möchte, dass er für ihn spielt, dann ist selbstverständlich, dass die beteiligten Vereine eine Ablöse aushandeln – so wie selbstverständlich der Spieler seinen Wunsch nach besserem materiellen Verdienst in diese Verhandlungen einbringt.“ zitiert mich Günther. Dann argumentiert er offensiv:

Hier erfolgt ein Fehler. Wie will ich sozialistische Bedingungen und Verhältnisse mit der kapitalistischen Art und Weise des Sklavenhandels im Sport – heute auf allen Gebieten – vergleichen? Wenn ich Vergleiche ziehen will, muß ich im System bleiben – oder sehe ich das falsch?

Und ich versuchte es so:

Der Fehler liegt m. E. in einer Illusion unsererseits früher – und deinem Optimismus.
„Im System bleiben“ kann man nur, wenn man im System schon ist. Genau das aber stelle ich in Frage. Wir, also die DDR, waren noch nicht im Sozialismus. Wir haben uns mit unterschiedlichem Erfolg bemüht, die Grundlagen zu diesem System (!) zu schaffen: Was wir Diktatur des Proletariats nannten, die grundlegenden Änderungen in den Eigentumsverhältnissen usw. sind unumgängliche Voraussetzungen, um Sozialismus zu schaffen. Aber sie stellen ihn noch nicht (hinreichend) dar. Dazu muss mindestens weltweit die organisierte Macht des Kapitals beseitigt sein – sowohl politisch als auch ökonomisch organisiert. Dann kan es „richtig“ losgehen.
Für einen Sieg einer neuen, menschlicheren Ethik muss der Reiz der alten weg sein. Welcher Kapitalist kauft sich seine Leute nicht? Die DDR-Bürger, die abgeworben worden sind, sind extrem billig „gekauft“ worden. Unsere Hochschulen usw. haben das geistige Niveau der westdeutschen „Wertarbeit“ wesentlich mit geschaffen. Wie wenige Spitzenkräfte haben sich von der menschlichen Vorstellung, erst müsse jeder seine Schrippe gegen den Hunger und ein Dach überm Kopf haben – billig, damit es sich auch wirklich jeder leisten kann – beeindrucken lassen, weil sie sich aus verschiedenen Gründen jeweils selbst für was Besseres hielten.
Der Markt war da. Der Markt war deshalb da, weil das kapitalistische System (!) nie seine Rolle des (wirtschaftlich) Stärkeren hat aufgeben brauchen. Damit hat er die Beziehungen wesentlicher weltweit bestimmt, als uns das Recht sein konnte … aber auch mehr als wir das begriffen haben.
Lenin hat nicht aufzeigen können, wann man wie von der NÖP zu einem gesicherten sozialistischen System nach der Logik von „Staat und Revolution“ übergehen kann. Er musste nur die widerliche Entscheidung treffen, dass er den „Kapitalismus“ braucht (aber ihn in seinen Grenzen in sein Systemprojekt einbauen kann).
Wir hätten nur zwei Möglichkeiten gehabt: In kurzer Zeit die kapitalistische Welt WIRKLICH überflügeln – was bei der Ausgangslage eine Illusion war – oder das Spiel des Kapitals dank konzentrierterer Wirtschaftskraft in Form unserer gemeinschaftlichen Eigentumsformen besser spielen als das Kapital selbst.
Das schließt den Sklavenhandel ein, sofern er unsere Ordnung verlässt …

Leider – das wird natürlich bei heutigen Überlegungen oft vergessen – trifft auch Günthers Gegenargument zu:

Schöne Überlegung – hatte ich auch schon mal, vor allem, da es ähnliche Modelle vor 1989 gegeben hat. Nicht wenige Arbeiter aus Jugoslawien haben ebenfalls als „Gastarbeiter“ im Westen gearbeitet und viele davon sind nach einer gewissen Zeit wieder in ihre Heimat zurückgekommen.
War es die Sturheit der DDR Betonköpfe, die eine solche Möglichkeit nicht zuließen.

FALSCH – Jugoslawien und die BRD waren zwei unabhängige Staaten mit unterschiedlichen Natioenen. Die BRD hat nie einen Alleinvertreteungsanspruch für Jugoslawien erhoben, auch keine Gebietsansprüche und ein Roll-Back.

Bei alle solchen Überlegungen darf man nie die andere Seite außer Acht lassen. An allen Bedingungen die DDR betreffend, ist eine gewaltige Verantwortung der jeweiligen Regierung der BRD zu sehen. Durch den Alleinvertretungsanspruch waren Bürger der DDR auch Bürger der BRD, wenn sie die Grenzen der DDR verlassen hatten. Fuhren sie ins westliche Ausland, so konnte dort sogar mit einigen Erfolg über Botschaften und Geheimdienst massiven Druck ausgeübt werden. Solche Vorschläge wie im Artikel beschrieben waren aufggrund der Ablehnung der BRD nicht möglich – das trifft auch für eine frühere Lockerung des Grenzsystems vollinhaltlich zu.

Natürlich hätte die BRD-Regierung einer Lockerung zugestimmt, jedoch ohne dabei die Staatsbürgerschaft der DDR-Bürger auch nur im Geringsten anzuerkennen.  Ist es also klug und im Sinne der eigenen Bürger, wenn man deren Rechte im Ausland mit Füßen treten läßt?

Andererseits ist natürlich dieses Argument eines, das wieder meine Startaussage stützt: „Die Mauer“ war ja dann eine „Argument“ für den Gegner, sich in die Situation als Ganzes – wenigstens zeitweise und bedingt – zu fügen.  Also hätten wir uns einen Mauerbau schon 1949 erlaubt, wäre vieles „leichter“ gewesen …

Die Mauer kam zu spät (5)

  Nun war zwar die DDR im Fußball als solchem ein dauerndes Entwicklungsland, aber die Qualität ihrer Fachkräfte war lange Zeit weiträumig überlegen, weil das Bildungswesen in der Breite ein deutlich höheres Niveau ermöglichte. Wäre es nicht denkbar gewesen, sich den Bedingungen eines kapitalistisch dominierten Weltmarktes anzupassen und die eigene Souveränität in dieser Weise zu demonstrieren? Wenn eben Siemens einen VEB-ausgebildeten Kader hätte beschäftigen wollen … bitte: Ganz legal mit einer Ablöse für seine besondere Qualität. Es hätte dann nicht – wie am Schluss – „Ausreiseantrag“ geheißen, sondern wer eben unbedingt in den ihm golden erscheinenden Westen gewollt hätte, hätte sich auf eine „Transferliste“ setzen lassen können. Wohlgemerkt: im Wesentlichen JEDER.

Der Kreativität wären kaum Grenzen gesetzt gewesen: Selbst für „Flüchtlinge“ hätte es eine nachträgliche Lösung gegeben.

Hätte man damit am Beginn des eigenen Auftretens angefangen, wäre es durchsetzbar gewesen … und hätte u.U. sogar Nachahmer gefunden.

Dies ist nur EINE von vielen Ideen, die ein offensiv auftretendes, den Sozialismus aufbauendes System hätte anwenden können.

Mit einer solchen „kapitalistischen“ Abschottung nach außen wäre die Umsetzung eines eigenen Wertesystems nach innen leichter gewesen.

Es ist vorstellbar, dass eben am Anfang der Start noch etwas schwerer gewesen wäre, aber alle eigenen Erträge wären auch eigene Ergebnisse gewesen.

Das Seltsame: Es erscheint mir nicht abwegig, dass es auch eine Rücktransferliste gegeben hätte.

Wie gesagt: Dort, wo Systeme nicht kompatibel sind, ist ihr „freier“ Zusammenstoß schädlich. Aus heutiger Sicht wäre es in der DDR eine sinnvolle Einrichtung gewesen, Westmarkt-Mieten zu erheben, aber dafür entsprechend höhere Gehälter und Löhne zu zahlen – und auch ein Wohngeld-Konstrukt zu schaffen. Das trifft aber nur deshalb zu, weil jetzt punktuell verglichen wird – in der Art „Die Renten sind aber gestiiiiiiiiiegen“.

Das damalige „sozialistische Weltsystem“ war unabhängig davon, dass es keines war, eine gewaltige Potenz. Die Befürchtung, dass wir in einen nordkoreanischen Steinzeitsozialismus gestürzt wären, ist nicht sehr begründet. Aber den Riegel vorzuschieben, als das Wasser bis zum Hals stand, verschob nur den Niedergang.

Wie weit eigene Wertsysteme möglich gewesen wären? Wir hätten zehn Jahre mehr die eigenen Früchte geerntet …

Die Mauer kam zu spät (4)

  Unter Walter Ulbricht wurde wenigstens ansatzweise das Denken in Systemen verstanden. Ein System kann nur als geschlossenes System funktionieren, zumindest als quasi geschlossenes, also wenn äußere Einflüsse in Art und Umfang gesteuert werden können. Ist das nicht der Fall, setzt sich das jeweils stärkere System gegen ein schwächeres Teilsystem immer durch.

Was wäre anders gewesen?

Noch einmal: Nachher ist man immer klüger. Als die Truppen des Warschauer Vertrages – ohne NVA! – 1968 mit Panzerkraft das erhielten, was sie für den Sozialismus hielten, war dies eine Chance für den tatsächlichen Aufbau des Sozialismus. Aus Sicht der Nach-“Wende“ sieht das aber anders aus: Da wurde nur ein System noch 21 Jahre am Leben erhalten, was dann doch unterging. Das Trauma jener Panzer aber ist dabei zu einem seiner Sargnägel geworden, weil der Einmarsch eben das Bild einer friedlichen Gesellschaft praktisch befleckt hatte. Das Vertrauen der Menschen in die Vertreter dieser Ordnung war beschädigt. Als es europaweit darauf angekommen wäre, waren diese Massen weder bereit noch befähigt, ihr System zu verteidigen, weil sie es nicht mehr als das ihre empfanden. (Worunter sich inzwischen Nostalgiker rekrutierten, die es auf ihre Weise gern wieder hätten.)

Ähnlich ist es mit der „Mauer“. Sie hat ihre Aufgabe eben nur vorübergehend erfüllt und in bisher letzter Instanz zur Schwächung ihrer eigenen Funktion beigetragen – welch gemeine Dialektik!

Aber wenn sie früher gestanden hätte?

Erst einmal wäre sie eher als „normale“ Grenze akzeptiert worden. Aber wie ist das mit den Systemen?

Ich erlaube mir einen makabren Vergleich: Wenn irgendwo ein Fussballspieler besondere Leistungen zeigt und ein anderer Verein möchte, dass er für ihn spielt, dann ist selbstverständlich, dass die beteiligten Vereine eine Ablöse aushandeln – so wie selbstverständlich der Spieler seinen Wunsch nach besserem materiellen Verdienst in diese Verhandlungen einbringt.

Die Mauer kam zu spät (3)

  Dass die kleine dann DDR den großen Nachbarn würde „schlucken“ können, war ja bei einer „Wiedervereinigung“ nie ernsthaft zu erwarten – zumindest nicht ab 1948. Da floss doch bereits amerikanisches Geld in Massen in einen ökonomischen Systemkrieg.

Wann hätte was am logischsten und geschicktesten passieren können?

  1. Die Gründung der DDR als Reaktion auf den schon aus dem Boden des kalten Krieges gestampften westdeutschen Staates war inkonsequent. Wahrscheinlich wäre dieser Moment der „ideale“ Zeitpunkt gewesen, sich auf eigene Beine zu stellen. Der Startpreis ist schwer zu bewerten. Also welche Lieferungen aus der nun BRD noch zur Lebensentwicklung der nun DDR real beigetragen haben und unter den Bedingungen einer „Mauer“ evtl. sofort weggefallen wären. Vor allem hätte dies sofort einen „Verzicht“ auf den Einfluss in Westberlin bedeutet – ein Einfluss, der real aber gar nicht vorhanden gewesen ist.
  2. Der nächste Moment war das Jahr 1952, als der – im Weltgefüge absurde – Beschluss gefasst wurde, zum Aufbau des Sozialismus überzugehen. Dass eine Landwirtschaft, die gerade auf die wirtschaftlich erfolgreichen Teile der Bauernschaft verzichtete, einen wirtschaftlichen Rückschritt bedeuten musste, hätte schon damals klar sein müssen. Dies hatte die Kollektivierung der sowjetischen Landwirtschaft bewiesen. Allerdings waren die Fluchtmöglichkeiten der Kulaken nicht so umfassend wie die der deutschen Bauern bei offener Grenze. Die spätere positive Entwicklung eine in Ansätzen tatsächlich sozialistischen Landwirtschaft ließ sich nicht „vorwegnehmen“.
  3. Der Tod Stalins und der vorübergehende lichte Moment russischer Zügelführung unter Chruschtschow waren die nächste gute Gelegenheit, die historische Offensive zu übernehmen.

 

Es gab noch kleinere andere Momente. Sie alle hatten eines gemeinsam: mit ihnen hätte eine eigene Strategie aktiv umgesetzt werden können. Die Entscheidung, als die Mauer dann tatsächlich gebaut wurde, war eine Nacht-und-Nebel-REaktion. Man fühlte die eigene Existenz gefährdet. Neben anderen Aspekten natürlich hauptsächlich die dauerhaften wirtschaftlichen Schäden, die auf der Unvereinbarkeit der wirtschaftlichen Systeme beruhten. Man mag sich über Schwindelkurse beschweren, über das Totkaufen des östlichen subventionierten Lebensmittelmarktes – es war ein menschlich vernünftiges Verhalten. Es ist unzumutbar, einzelnen Menschen ein Verhalten aufzudrängen, mit dem sie ihre unmittelbaren Bedürfnisse zugunsten höherer allgemeiner unterdrücken sollen.

Die Mauer kam zu spät (2)

  Danach von einer anderen „Wiedervereinigung“ zu träumen als einer unter den Vorzeichen, wie sie Herr Doktor Kohl den armen Brüdern und Schwestern im Osten tatsächlich verabreicht hat, war ein schöner, aber eben ein Traum.

Damit ist nicht gesagt, dass man nicht für diesen Traum hätte kämpfen dürfen, dass man nicht alles hätte tun sollen, das, was zur Wiederaufrüstung Deutschlands bis hin zur heutigen Weltverbrecher-Rolle führen konnte, zu bekämpfen..

Na gut, wenigstens als der Generalissimus Stalin, den man zu Lebzeiten in den Klassikerstand erhoben hatte, gestorben war, hätte man genau neu „justieren“ müssen – nicht mehr so gläubig in den Erfolg vom „Weltherrscher“-Verträgen.

Oder man führe sich die Kämpfe um gegenseitige Boykotte und Abhängigkeiten vor Augen. Egal, ob das die amerikanischen Versuche waren, die „Atombombe“ Westberlin zu installieren, oder all jene wesentlich wirksameren Störaktionen, wo der eher agrarische Osten am Stahltropf des Ruhrgebiets hing und logischerweise immer dann eigentlich überlebenswichtige Lieferungen dann blockiert wurden, wenn sie gerade besonders wichtig für die „sozialistische Planwirtschaft“ waren. Ein Unding schon die Erwartung, der „Sozialismus“ könne mit Lieferungen aus dem Kapitalismus aufgebaut werden – und dieser Traum ist trotz seines allseitigen Scheiterns in dieser Zeit unter Honecker wieder belebt worden … nach dem Motto, dass ausgerechnet ein F-J Strauß die Überlegenheit des Sozialismus kreditieren wollen könne.

Und nun führe man sich diese Träumerei vor Augen: Aus der Position des rundum Unterlegenen und Abhängigen versuchte man eine Totalumdeutung der Lebensumstände aller Menschen im eigenen Machtbereich. In diesem Umfeld war die „sozialistische Umgestaltung“ der Landwirtschaft Wahnsinn.

Die Enteignungen der Großindustrie und der Banken noch unter sowjetischer Oberhoheit unmittelbar nach dem Krieg war eine Selbstverständlichkeit, bei der man die zumindest allgemein duldende Zustimmung der breiten Massen voraussetzen konnte. Im Wesentlichen waren diese Kreise belastet durch Kriegsverbrechen. Ihre dauerhafte Entmachtung eine Maßnahme zum Schutz der Demokratie, die auch im Westen (nicht nur in Hessen) breite Zustimmung fand – aber die zwangsweise Restauration des Kapitalismus im Westen war im Osten genauso sichtbar wie die zwangsweise Installation des sozialistisch orientierten Systems im Osten vom Westen aus.

Die Mauer kam zu spät (1)

  Für Anhänger der Geschichte als Wissenschaft ist jedes Spiel „Was wäre gewesen, wenn …“ ein Gräuel. Dabei Ist es doch gerade für Strategien der Zukunft wichtig zu durchdenken, welche Faktoren am Scheitern oder Gelingen vergangener Entwicklungen einen besonderen Anteil hatten. Um einen Fehler nicht zu wiederholen, muss man ihn zuerst erkannt haben. Dabei kommt es eben NICHT darauf an, ob dieser „Fehler“ unter den damaligen konkreten Bedingungen vielleicht sogar unvermeidlich war. Geschichte als Betrachtung von Vergangenem bringt aber doch nichts. Entweder sind die Rahmenbedingungen in einer vergleichbaren neuen Situation andere oder aber – wenn sie zu ähnlich sind – kann man immer noch nach ganz anderen Wegen suchen.

Die Mauer“ war etwas, was wohl niemand voll Liebe betrachtet hat. Es wurde durch die, die sie hochgezogen hatten, als eine Notwendigkeit angesehen. Leider auch als „Ultimo ratio“, als Schiss in die letzte Ecke. Und da liegen gleich mehrere Hasen im Pfeffer:

Die Kommunisten und Sozialisten, die sich im Osten Deutschlands zusammenfanden, hatten zwar „Klassiker“ des Marxismus zu ihren geistigen Ratsherren erkoren, sie schienen sie aber nicht verstehen zu wollen. Ich bin nun nach diesen Anfangsjahren geboren, kann das also auch nur als Kopfschüttler der Nachzeit betrachten:

Lenin hatte das Wesen des Imperialismus analysiert. Die entscheidenden Merkmale haben sich in den folgenden Jahrzehnten bestätigt. Selbst das, was wir heute als „überholt“ ansehen könnten, nämlich die territoriale Aufteilung der Welt (in Form der Kolonien) traf um 1950 uneingeschränkt zu. Nirgendwo hat Lenin von einer „Friedensfähigkeit“ des Imperialismus gefaselt.

Der 2. Weltkrieg gegen den an die Staatsmacht gekommenen Faschismus war zwar erfolgreich beendet, aber mit zwei abgeworfenen Atombomben hatte der US-amerikanische Imperialismus bereits seine aggressiven Weltmachtsambitionen demonstriert. Der „Hitler-Stalin-Pakt“ hätte eigentlich Stalin zeigen müssen, dass abgeschlossene Verträge mit aggressiven Imperialisten nur so lange mehr als ihr Papier wert sind, wie sie dem aggressiven „Partner“ nutzen. Es bestand kein zwingender Grund mehr, nach 1945 am Fortbestand eines relativen Bündnisses über den Vertragsakt von Potsdam hinaus zu glauben. Spätestens mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland in Grenzen, die als Staatsgrenzen in Potsdam nicht vorgesehen waren, wenn nicht schon mit der separaten Währungsreform 1948 in den „Westzonen“, hätte sich die Träumerei eines „Geistes von Potsdam“ erübrigt haben müssen. Eigentlich hätte die formale Gründung eines „Gegenstaates“ DDR im Oktober 49 ein Akt des Sich-in-das-Faktische-Fügens sein können.