Eine Annäherung an „die Juden und ihren Staat (1)

  Jeder Mensch hat so seine Schwächen. Manchmal will man zum Beispiel einfach abstrakte Übertreibungen nicht glauben, bevor man einen konkreten Fall selbst erlebt hat. So hatte ich meine Schwierigkeiten, mir vorzustellen, dass intelligente Menschen die Begriffe, die mit den Juden zusammenhängen, so sehr durcheinander werfen, dass primitivste Propaganda sich sogar logisch geben kann. Durch einen Zufall stieß ich dann aber auf einen Artikel in der taz (http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/wie-halten-wirs-mit-israel-genossen/ ) der mich zum eigenen primitiven Sortieren zwingt. Dazu kommt, dass ich selbst Zeuge eines „Kinderspiels“ war, bei dem ein Junge aus „Spaß“ gequält wurde. Er hatte lockiges schwarzes Haar und wurde jeweils so lange schmerzsteigernd „behandelt“, bis er zugab, dass er „eine dreckige Judensau“ sei. Es versteht sich von selbst, dass der Junge kein Jude war.

Der Fall greift ein durchaus existierendes Phänomen auf: Menschen mit unter- bzw. fehlentwickeltem Selbstbewusstsein entfalten ein pervertiertes Bedürfnis nach unmittelbarer Machtausübung. Einmal jemanden „in der Hand haben“. Es bedarf eigentlich keines Grundes, aber die auf die Spitze getriebene nackte Herrschaft von Faschisten hat dabei eine zweifelsfreie Anziehungskraft. Besagte Kinder waren noch nie bewusst einem „Juden“ begegnet, hatten Faschismus nicht unmittelbar erlebt. Sie wollten sich austoben und brauchten ein Opfer.

Warnung Nummer 1: Dies ist als Erklärung eines GESELLSCHAFTLICHEN Phänomens ungeeignet. Es ist aber ein Weg, sich aus jeder Verantwortung zu stehlen. Der perverse Hitler ist alles gewesen.

Antirassisten stolpern mitunter über einen selbst gebastelten Fallstrick: In ihrem Eifer, dem Rassismus die Wurzeln zu entziehen, versuchen sie, die „Rassen“ zu leugnen.

Richtig ist aber natürlich, dass es Rassen gibt und dass es rassische Merkmale gibt. Nur sind dies einige wenige, oft sehr äußerliche. Es ist primitives Denken, aus diesen Äußerlichkeiten wie Haut- oder Haarfarbe Charakter und Wesensmerkmale abzuleiten – auch wenn das eine evolutionäre Erkenntnisweise aufgreift: Wir beurteilen ja emotional alle Menschen nach einfach erfassbaren Merkmalen in einem „ersten Eindruck“.

Nun greifen natürlich historische Besonderheiten der Entwicklung sich selbst potenzierende Prozesse auf. Im Fall der Juden waren dies vereinfacht etwa drei:

  1. Die christliche (wie später auch islamische) Ablehnung des Geldverleiher-(Wucher-)Geschäfts verband sich mit mit dem System der Zünfte und Gilden. Sprich: Die Juden hatten einen Erwerbszweig, der für Andere anrüchig galt für sich, während die feste Organisiertheit anderer Gewerke keine Andersartigen / Andersgläubigen in ihren Verbund einließen. Logisch, dass eine höhere Professionalität im Finanzwesen sich bei den Juden entwickeln musste.
  2. Das geschlagene und aus seiner Ursprungsheimat vertriebene, in alle Welt verstreute auserlesene Volk besaß ein besonderes Maß an Selbstbehauptung an Eigenidentität. Was war vernünftiger, als zu den anderen Grüppchen weltweit Kontakt zu halten. Der Handel über Grenzen hinweg verband dabei diesen Wunsch zur Zusammengehörigkeit mit einem praktischen Effekt, dem eigenen wirtschaftlichen Erfolg, sodass die Kontakte sinnvollerweise nicht abstarben.
  3. Mehr oder weniger zufällig enthielten die jüdischen Glaubensrituale Konsequenzen im Sinne höherer Reinlichkeit gegenüber den mittelalterlichen Andersgläubigen. So waren die Juden nicht so unmittelbar und in solchem Umfang durch Unhygiene geförderten Seuchen ausgeliefert. Verständlich, dass die Beobachtung eines solchen Ergebnisses Legenden zur Ursache förderte – weil ja die tatsächliche Ursache, also dass die einfach weniger verkeimt sein könnten, nicht in Frage kam.

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