Das Verfassungsgericht und der Staat als „Machtinstrument der herrschenden Klasse“ (2)

Staat als „Machtinstrument der herrschenden Klasse“ suggeriert natürlich ein mögliches Missverständnis. Das klingt so, als träte „der Staat“ nur dann in Aktion, wenn auf linke Demonstranten, Umweltaktivisten usw. eingedroschen werden soll oder wenn „Notstandsgesetze“ erlassen werden, FRONTEX Flüchtlingen zeigt, dass sie bitteschön außerhalb der eigenen Hoheitsgewässer abzusaufen haben oder in ähnlichen Fällen offensichtlicher Gewalt gegenüber bzw. Unterdrückung von zu Unterdrückenden (richtiger: von solchen, die sich selbst als unterdrückt erkannt haben).
„Staat“ in dieser Funktion beginnt natürlich schon in der Schule in der Auswahl von Details, die die künftigen „mündigen Bürger“ zur Wahrnehmung ihrer Bürgerlichkeit vermittelt bekommen bzw. wie „wertfrei“ sie sie vermittelt bekommen. Natürlich innerhalb des Vorgenannten, denn der potentiell schwebende „Radikalenerlass“ erzeugt natürlich neben der äußeren Disziplinierung eine „Selbstzensur“, das Bewusstsein bei kritischen Lehrern, genau überlegen zu müssen, was sie ihren Schülern wie erzählen.
Abe noch immer sind wir innerhalb der Vielfalt von Mitteln, mit denen der Staat als Ganzes unterdrückt. Da ist es letztlich gleichgültig, ob dazu eine aufgeblähte Institution wie das Ministerium für Staatssicherheit das gesamte Spektrum möglicher innerer und äußerer Bedrohungen abzudecken versucht, oder ob dafür verschiedene „Dienste“ wirken, bei denen man dann zumindest bei einigen nach ihrer Berechtigung fragen kann oder danach, ob nicht der „Verfassungsschutz“ der konzentrierteste Verfassungsfeind ist.

In der DDR Sozialisierte vergessen gern, dass es neben der offenen Machtausübung eine versteckte gibt, die das SYSTEM umso wirkungsvoller verteidigt, obwohl und weil sie sich systemfremd gibt.
Die DDR wie die anderen Länder, die sich auf den neuen Weg zum erst vorbildlos zu praktizierenden Sozialismus machten, überschätzten die Macht von Bildung und Vernunft. Sie ließen keinen Zweifel daran, dass sie Diktaturen („…des Proletariats“) waren, vergaßen dabei allerdings, dass diese Eigenbewertung als Gegenbild zur Diktatur des Kapitals zu denken war. Nun nennt sich letztere ganz verschieden, nur Diktatur nicht. Dieses Etikett wird einer spezifischen Staatsform im engeren Sinne aufgeklebt.
Nun hat der Staat außer der Funktion, die unmittelbaren Bewegungen gegen das System zu verhindern aber auch die dauerhafte Aufgabe, dieses System am Laufen zu halten. Das zwingt ihn zum einen zur Vermittlung zwischen Interessengruppen / „Parteien“ der herrschenden Klasse selbst. Wie schwierig das ist, kann man an den fauligen Kompromissen beim „Atomausstieg“ sehen. Dabei weiß eigentlich jede Partei des Kapitals, dass der Weg der Atom(spaltungs)kraft mindestens auf lange Sicht die eigene Existenz bedroht. Aber es gibt natürlich eine Gruppe, für die ein Weitersowiejetzt dem Großeinkauf mit selbst gedruckten Geld ähnelt.
Was aber nutzt ein Rechtssystem, das nicht wenigstens den Anschein erweckt, dass JEDE Seite Recht bekommen kann?
Die Illusion, alle „Meinungsverschiedenheiten“ innerhalb der Regularien des vorhandenen Systems lösen zu können, ist das beste Selbsterhaltungsmittel eben dieses Systems.
Das heißt zwar nicht, diese Möglichkeiten nicht zu benutzen, das Wissen darum sollte aber vor Illusionen bewahren, dass sozusagen per Verfassungsgericht der Sozialismus / Kommunismus als die gerechte Perspektive der Menschheit erkannt werden kann.

Letzter Scherz zur Objektivität.
Die katholische Kirche lebt von der Anmaßung, dass der Papst der Stellvertreter Gottes auf Erden sein soll. Nun wählt man seinen Stellvertreter, vor allem einen, der wirklich in seinem Namen spricht, üblicherweise selbst. Den Papst wählen aber Bischöfe, die nicht alle von der Hand Gottes, sondern von ihren Interessen geführt werden. Wollte wenigstens die Kirche ihren Anspruch einlösen, so müsste sie ein „Gottesurteil“ erfinden, das die Wahl des Papstes von menschlichem Einfluss unabhängig machte.
Und nun frage man, wer wann warum Verfassungsrichter in ihren Rang einsetzt …

One response to this post.

  1. Posted by Günther Wassenaar on Februar 22, 2010 at 8:44 am

    „Die DDR wie die anderen Länder, die sich auf den neuen Weg zum erst vorbildlos zu praktizierenden Sozialismus machten, überschätzten die Macht von Bildung und Vernunft.“
    Da ist etwas Wahres dran. In der DDR wurde allen vorgeschrieben, dass sie alles über den Sozialismus/Kommunismus lernen sollten, also alles was den Lauf der Dinge beeinflußt. Man hat auf rationellem Wege, also auf wissenschaftlichem und wisensvermittelndem Wege jadem den Sozialismus erklärt und eingepaukt. Jede Schule egal, ob dort Bauern oder Ingenieure, ob doert Friseusen oder Metzger ausgebildet wurden, in jeder waren gesellschaftswissenschaftliche Fächer Pflicht. Hat man dabei nicht eventuell vergessen auch die emontionale Seite zu beachten? Inwieweit wurden Begeisterung geschaffen. Ich will nicht bestreiten, dass man das versucht hat, indem man jeden Erfolg auch im Fernsehen gezeigt hat, aber wirkliche Begeisterung für den Sozialismus / Kommunismus hat man bei der breiten Masse der Menschen nicht erreicht. Wäre diese vorhanden gewesen, hätten sich die Menschen die Vorteile, die das System gegenüber dem heutigen hat, nicht so kampflos weg nehmen lassen. DAmit meine ich nicht den Einsatz der Armee, sondern den der Bevölkerung für ihren Staat, der es in Wirklichkeit war. Es hatte keiner auf ihre Kosten sich ein super schönes Leben gemacht. Selbst die „Führungskader“ hatten bei weitem nicht den Abstand zum einfachen Volk wie es heute vor allem im Wirtschaftssektor der Fall ist. Herr Albrecht hat etwa 21.000 Millionen. Selbst wenn er davon 10 ausgibt, um Politiker zu bestechen, damit sie Gesetze in seinem Sinne verfassen, so ist das so als würde ein einfacher Arbeiter einen EURO ausgeben. Die FDP hat für weit weniger als komplette Partei den Steuersatz für das Hotelgewerbe geändert

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