zwischendurch: Ein Hamburger Volksentscheid

Direkte Demokratie ist eigentlich etwas Wunderbares.

Sie bringt allerdings auch die Anforderung an die Bürger – und zwar an alle Bürger – heran, sich zu engagieren, nachzudenken, bewusst zu handeln. Ansonsten wird solche „direkte Demokratie“ zum Bumerang, sie erschlägt sich selbst. Nun steht erst einmal die Frage der richtigen Frage. Natürlich ist der Reiz, eigentlich über nichts zu entscheiden, gering, ehe abschreckend. Insofern trifft die für Hamburg von der Reformierung des Schulsystems übrig gebliebene Frage, ob denn ein sechs- oder ein vierjähriges gemeinsames anfängliches Lernen besser ist, so wenig den Kern des Problems, dass man schon sehr an Prinzipien hängen muss, um sich überhaupt noch zu engagieren. Oder aber man macht es wie die Mehrheit der Mitwirkenden: Man verkrallt sich in zu schützenden Besitzständen.

Man mag die konservative Entscheidung nicht gut finden. Aus der Auswahllage war sie verständlich. Das Lernen sozialer Kompetenz stand nicht zur Debatte. Solidarisches Verhalten stand nicht zur Debatte. Die wesentliche Verbesserung der Unterrichtsqualität, Verkleinerung der Klassen, Ausgleich der Defizite, die durch soziale Nachteile von Anfang an bestehen … all das war genauso von Anfang an kein Gegenstand der Debatte – von der notwendigen Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse überhaupt überhaupt nicht zu reden.

Was bleibt übrig? Wie retten diejenigen, die noch Chancen im Konkurrenzkampf um die Macht von morgen wahren konnten, ihren Vorsprung? Wie sichern sie, dass sie unter sich bleiben? Wie sichern sie sich die besten Lehrer und die Behandlung „der Anderen“ als Strafe in einem verschleieten Kastensystem? Wenn die Fragen praktisch so stehen, hätte die Abschaffung einer Gemeinschaftsschule eigentlich von Anfang an als Option stehen müssen.

Und man kann die Sache auch umdrehen: Wenn nicht eine progressive Richtung des Diskurses erreicht wird, dann geht alles gegen den Baum. Mittel der Mitbestimmung sind nicht von vornherein positiv, sondern erst, wenn die Wählenden zum gesellschaftlichen Denken in der Lage sind. Das ist nicht das Interesse eines Systems, das eine (kleine) herrschende Klasse stützt. Da verkommt das Gehirn zum maximalen Erfassen der Frage: Wie geht es meinem Kind am besten? Wenn es in eine Eliteschule gegangen ist.

Insofern ist meine Hoffnung auf das Wasser-Volksbegehren so groß: Hier stimmt das kleine unmittelbare Interesse, möglichst wenig für das eigene Wasser zahlen zu wollen, mit dem größeren Gedanken, dass es Sektoren des menschlichen Lebens gibt, für die es unmittelbar schädlich ist, wenn sie einer „Profit“-Logik unterworfen werden, ja, oft sogar mit einem Zweifel mit der Nützlichkeit jeder Profitlogik für den normalen Menschen überhaupt überein. Dieser enormen Gefahr wegen scheuen die etablierten Parteien (hier: bis auf die Grünen) vor dem Bekenntnis gegen die Privatlogik zurück. Und leider kann eine kommunistische Bewegung im Moment in Deutschland nicht bewegen …

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